Allerdings stehen die neuen arabischen Mächte durch ihre geballten sportlichen, wirtschaftlichen und politischen Anstrengungen auch schneller im Fokus negativer Aufmerksamkeit. Wie die Sportsoziologen Paul Brannagan und Richard Giulianotti betonen, führt das Streben nach „soft power“ leicht zu „soft disempowerment“:[14] Die katastrophalen Lebensbedingungen der Gastarbeiter in Katar würden ebenso wie die Korruptionsvorwürfe ohne die WM 2022 in westlichen Medien kaum für Schlagzeilen sorgen. Die glänzende Fassade bleibt so nicht ohne Risse.
Die Unterstützung der ägyptischen Muslimbrüder, der palästinensischen Hamas und nach Ansicht vieler Beobachter auch des Islamischen Staats im Irak und Syrien kostete Doha selbst die Sympathien der übrigen Mitglieder des Golfkooperationsrats, in erster Linie Saudi-Arabiens und der VAE. Wenn sich auf der Arabischen Halbinsel das neue Machtzentrum der Region befindet, bleibt noch zu klären, wo genau.
Emir Hamad bin Khalifa schien den Bogen jedenfalls überspannt zu haben. Wohl auch deshalb übergab er die Regierung 2013 seinem Sohn Tamim. So schnell ließen sich die Wogen freilich nicht glätten: Die in vieler Hinsicht für Katar so erfolgreiche Handball-WM 2015 wurde überschattet von den Absagen der Mannschaften aus Bahrain und den Emiraten – die viele Experten sich nur politisch erklären konnten.[15] Wenn Barça und Real aufeinander treffen, erhält die alte Rivalität des Clásico also eine sehr reale neue Dimension mit Qatar vs. Emirates.
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[1] Katrin Bromber, „The Sporting Way: Sport as Branding Strategy in the Gulf States“, in: Steffen Wippel/ Katrin Bromber/Christian Steiner/Birgit Krawietz (Hrsg.), Under Construction: Logics of Urbanism in the Gulf Region, Farnham/Burlington (VT) 2014, S. 119.
[2] Paul Michael Brannagan/Richard Giulianotti, „Soft power and soft disempowerment: Qatar, global sport and football’s 2022 World Cup finals“, in: Leisure Studies (2014), http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/02614367.2014.964291 - .VQlUfCiDOy0, S. 6.
[3] Ebd., S. 1 (Übers. J. K.).
[4] Vincent Villa/Alexandre Roos, „Rencontres dans le désert. Entre le Tour du Qatar cycliste, l’Open de Doha de tennis féminin, le choc du Championnat de football ou la fête nationale du sport, nos reporters ont vécu une semaine de compétitions au Qatar. Ils racontent.“, in: L’Équipe, 26. 02. 2014, S. 6 (Übers. J. K.).
[5] Zitiert nach: Nadine Scharfenort, „Off and Running: Qatar Brands for FIFA World Cup, and Life Beyond“, in: Wippel/Bromber/Steiner/Krawietz (wie Anm. 1), S. 74 (Übers. J. K.).
[6] Zitiert nach: Barbara Unmüßig, „Fußball und Demokratie“, in: Heinrich Böll Stiftung, http://www.boell.de/de/2014/04/17/fussball-und-demokratie, 30. 04. 2014.
[7] „Le top 30 du foot français“, in: L’Équipe, http://www.lequipe.fr/Football/top30-classement-foot-francais-2015/1/nasser-al-khelaifi, 07. 01. 2016.
[8] Katrin Bromber/Birgit Krawietz, „The United Arab Emirates, Qatar, and Bahrain as a Modern Sport Hub“, in: Katrin Bromber/Birgit Krawietz/Joseph Maguire (Hrsg.), Sport Across Asia: Politics, Cultures, and Identities, New York/Abingdon 2013, S. 189.
[9] Inklusive bestellter Maschinen besitzen die emiratischen und katarischen Unternehmen über 800 Langstreckenflugzeuge. Siehe Jean-Pierre Séréni, „Arabische Konkurrenz für europäische Fluglinien. Die Airlines der Golfstaaten können ihren Anteil am globalen Luftverkehr ständig vergrößern. Ihre Flugzeuge verbrauchen besonders wenig Kerosin, für das sie außerdem weniger zahlen als die Konkurrenz.“, in: Le Monde diplomatique, Atlas der Globalisierung. Die Welt von morgen, Berlin 2012, S. 44f.
[10] Man sollte außerdem nicht vergessen, dass auch die amerikanische Eishockeyliga NHL zahlreiche Teams aus Gegenden von Florida oder Kalifornien beinhaltet, in denen die Temperaturen nie unter den Gefrierpunkt sinken. Selbst Olympische Winterspiele fanden in jüngerer Zeit kaum noch in eigentlichen Wintersportorten statt, sondern eher in größeren Städten, die mehr oder weniger nahe an Skigebieten liegen (zum Beispiel in Turin, Vancouver oder Sotschi).
[11] Schon die Spiele von 1997 in Beirut demonstrierten nicht nur den Wiederaufbau des Libanon nach dem Bürgerkrieg. Das maßgeblich aus Saudi-Arabien und Kuwait finanzierte Event verdeutlichte auch den wachsenden Einfluss, den unter der Regierung des saudisch-libanesischen Bauunternehmers Rafiq al-Hariri die Golfstaaten auf eine traditionsreiche Metropole der arabischen Welt erlangt hatten.
[12] Siehe Christoph Schumann, „Das Revolutionsjahr 2011 und die Krise des arabischen Republikanismus“, in: Heinrich Pehle/Klaus Brummer (Hrsg.), Analysen nationaler und supranationaler Politik. Festschrift für Roland Sturm, Stuttgart 2013, S. 315-326.
[13] Mahfoud Amara, Sport, Politics and Society in the Arab World, Basingstoke/New York 2012, http://www.palgraveconnect.com/pc/doifinder/10.1057/9780230359505, S. 55 (Übers. J. K.).
[14] Brannagan/Giulianotti (wie Anm. 2), S. 12.
[15] So James M. Dorsey, „Qatar’s hosting of GCC summit in further jeopardy following Gulf states’ handball boycott“, in: The Turbulent World of Middle East Soccer, http://mideastsoccer.blogspot.de/2014/11/qatars-hosting-of-gcc-summit-in-further.html, 13. 11. 2014.