Im aktuellen Syrienkrieg scheinen sich nicht nur Mächtekonstellationen des Kalten Krieges zu wiederholen, sondern auch die Mechanismen. Der Westen, angeführt von den Vereinigten Staaten, steht Russland und dessen Verbündeten gegenüber. Eine Drohung folgt der nächsten und nach dem Luftangriff der USA, Großbritanniens und Frankreichs auf syrische Stellungen fragen sich alle: Wie wird die Gegenseite reagieren? Die Gefahr eines Dritten Weltkriegs stehe bevor, befürchten bereits viele politische Beobachter. Doch wie real ist diese Gefahr tatsächlich? Ist eine massive, im äußersten Fall sogar nukleare Auseinandersetzung zwischen den sich gegenüberstehenden Mächten zu erwarten? Wir haben diese und andere Fragen dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr in München gestellt.
"Es wird zu keiner großen Eskalation kommen"
L.I.S.A.: Herr Professor Masala, in einem Interview von 1969 antwortete Theodor Adorno auf die Feststellung eines Journalisten, dass die Welt vor zwei Wochen noch in Ordnung zu sein schien, mit: „Mir nicht.“ Lässt sich das auf die heutige weltpolitische Lage mit Blick auf den aktuellen Syrienkonflikt übertragen? Stehen wir gerade vor einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den USA und Russland, die vor wenigen Wochen so noch nicht vorstellbar war? In einem Interview, das Sie uns zu Ihrem Buch „Weltunordnung“ gegeben haben, sagten Sie immerhin, dass es „kein Interesse an einer direkten militärischen Konfrontation zwischen Nuklearwaffen-Staaten“ gebe. Gilt das noch?
Prof. Masala: Es gibt meines Erachtens noch immer kein Interesse, weder bei Russland noch bei den USA an einer direkten militärischen Konfrontation, bei der es zu einem Einsatz von Nuklearwaffen kommen könnte. Die Ereignisse in Syrien letzte Woche zeigen dies. Russland wurde wohl vorab informiert, hat bislang rethorisch hart aber real überhaupt nicht reagiert, kurzum, es gibt kein Interesse an dieser Konfrontation. Aber, es ist nicht auszuschließen, dass es zu begrenzten konventionellen Eskalationen kommen könnte, wenn sich die Lage weiterhin so zuspitzt. Die erratische Politik des amerikanischen Präsidenten, die Falkenrethorik eines John Bolton lassen es nicht ausschließen, dass die USA glaubt, sie könne weiterhin militärisch gegen russische Interessen vorgehen, ohne dass die russische Föderation darauf mit entsprechenden militärischen Mitteln reagiert. Und diese Einschätzung, die meines Erachtens eine Fehleinschätzung ist, kann dazu führen, dass sich Amerikaner und Russen in kleinere, konventionelle Scharmützel begeben. Es gilt daher: Es wird zu keiner großen Eskalation kommen, aber es ist nicht auszuschließen, dass sich die Situation weiter zuspitzt.
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