Über 30 Jahre nach dem Ende des Staatssozialismus und dem Verschwinden vieler kommunistischer Organisationen ist Kommunismus in Westeuropa oft als Verkörperung des Systemgegners im Kalten Krieg historisiert worden. Jedoch gab es noch keine intensive Auseinandersetzung mit der Rolle und den Funktionen der kommunistischen Bewegung in der liberalen Demokratie. Die diesjährige Hermann-Weber-Konferenz, mit dem Titel „Der Ort des Kommunismus in den westeuropäischen Demokratien seit 1945“ stellte sich dieser Auseinandersetzung.
Die Tagung fand vom 15. bis 17. März 2023 im Gebäude der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin statt. Veranstalter und Organisatoren waren Claudia Gatzka (Albrecht-Ludwigs-Universität Freiburg) und Dominik Rigoll Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) in Kooperation mit dem Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung und der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Konferenz wurde von der Gerda-und-Hermann-Weber-Stiftung in der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur finanziert. Die Hermann-Weber-Konferenz zur Historischen Kommunismusforschung wahrt das Andenken an den Mannheimer Historiker Hermann Weber und will Projekte zur Kommunismusgeschichte vernetzen und anstoßen. Die Konferenzbeiträge sollen in dem Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung, das seit 2004 von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur fortgeführt wird, erscheinen.
Die Konferenz begann am Mittwochabend, den 15.03.23 mit einer öffentlichen Abendveranstaltung. Nach der Begrüßung des Moderators der Podiumsdiskussion Ulrich Mählert (Berlin) und des Mitorganisators der Tagung Dominik Rigoll wurde der Abend mit einem Vortrag von Sonja Levsen (Trier) eingeleitet.Sie sprach über die Ursachen der „Randständigkeit“ des Kommunismus in Westdeutschland und wie dies die Bundesrepublik prägte und beeinflusste. Sie setzte dies in vergleichende Perspektive zu anderen westeuropäischen Ländern, wo sich zum Teil starke kommunistische Parteien entwickeln konnten. Nach 1945 entschieden sich viele deutsche Kommunist*innen, wenn sie nach Deutschland zurückkehrten, eher für die Ostzone und spätere DDR. In der BRD fehlte der KPD dadurch eine Basis, anders als z.B. in Frankreich oder Italien, wo jeweils eine starke kommunistische Partei trotz vorherrschendem Antikommunismus nicht so leicht an den Rand zu drängen war. Der Antikommunismus der BRD war jedoch noch einmal massiver und schärfer ausgeprägt. Nur hier wurde die Kommunistische Partei verboten. Dies sei, so Sonja Levsen, auf die besonderen Situation Deutschlands als geteiltes Land zurückzuführen.
In einer Podiumsdiskussion im Anschluss, moderiert von Ulrich Mählert, sollte das Thema des Vortrages weiter ausgeführt und vorangetrieben werden. Auf dem Podium saßen Sonja Levsen, Thomas Kroll (Jena), Till Kössler (Halle-Wittenberg) und Dominik Rigoll. In der Diskussion ging es u.a. über die Stärken oder Schwächen von kommunistischen Parteien in Westeuropa und ihre Entwicklungen. Auch wurde über die Rolle und den Einfluss des Sowjetkommunismus auf die westeuropäischen kommunistischen Parteien und Bewegungen gesprochen sowie ihr Verhältnis zum Stalinismus. So wendeten sich manche Parteien von der Sowjetunion ab und eher dem Konzept des „Eurokommunismus“ zu. Andere standen bis zum Schluss hinter der Politik der Sowjetunion, was ebenfalls einen Einfluss auf ihre Wahrnehmung als mehr oder weniger demokratische Partei hatte.
Am Donnerstag startete die Tagung mit Begrüßungsworten der beiden Veranstalter*innen Claudia Gatzka und Dominik Rigoll. Diese stellten noch einmal ihr angedachtes Tagungskonzept vor: Kommunistische Parteien und Bewegungen seien nicht, wie oft angenommen, auf Grund der Orientierung an der Sowjetunion ein abgekapseltes Milieu. Kommunist*innen halfen nicht nur durch ihren Widerstand gegen faschistische Regimes zur Ausbildung demokratischer Entwicklungen in westeuropäischen Ländern, sie gestalteten diese auch im Anschluss weiterhin mit. Gerade die Untersuchung der Grenzen, die sich in der politischen Praxis zwischen liberaler Demokratie und Kommunismus ergaben, seien interessant für die Tagung; ebenso die Frage, inwiefern die analytische Trennung von liberaler Demokratie auf der einen, westeuropäischem Kommunismus auf der anderen Seite überhaupt tragbar oder sinnvoll sei.
Im ersten Panel des Tages ging es um Kommunist*innen an der Macht. Im Fokus der zwei Vorträge stand die kommunistische Italienische Partei (PCI) und ihr Wirken in Bologna, wo sie von 1945 bis zu ihrer Auflösung 1991 den Bürgermeister stellte.
Den Anfang machte Paolo Capuzzo (Bologna) mit einem Vortrag über das Zusammenwirken von Demokratie und Kommunismus in Bologna. Er sprach über den Wandel und die Entwicklung der PCI innerhalb ihrer Regierungsverantwortung in Bologna. Die Partei musste sich von einer Klassenpartei im Widerstand gegen den Faschismus zu einer Volkspartei entwickeln. Paolo Capuzzo beschrieb, wie ein stalinistisch geprägtes Kader eine effiziente lokale Regierung aufbaute, die es schaffte, in einem demokratischen Kontext eine breite Öffentlichkeit zu erzielen. Dabei setzte sie auf die Zusammenarbeit mit anderen politischen Kräften und auf die Gewinnung des breit aufgestellten Mittelstandes in Bologna. Die PCI hatte in Bologna besonders gute Voraussetzungen, da sie bereits vor 1945 auf eine breite Unterstützer*innenbasis zurückgreifen konnte.
Theresa Malice (Bielefeld) beschrieb in ihren Vortrag die Arbeit der Kommunistinnen in der PCI in Bologna und ihre Rolle beim Aufbau von demokratischen Strukturen. Natürlich wurden ihnen auch innerhalb der von patriarchalen Strukturen geprägten PCI hauptsächlich als „frauentypisch“ wahrgenommene Themenbereiche zugewiesen wie z.B. Erziehung oder Wohlfahrt. Dort nutzten sie aber die ihnen gegebenen Freiräume, um entscheidende Veränderungen im Sinne der Partei herbeizuführen. Der Aufbau und Ausbau des Wohlfahrtsystems in Bologna war von großer Bedeutung und ermöglichte der PCI, die lokale Bevölkerung Bolognas aktiv in die Politik mit einzubeziehen und für sich zu gewinnen. Gerade Kommunistinnen leisteten damit einen entscheidenden Beitrag für den Aufbau der Demokratie in Bologna, aber auch im gesamten Italien.
Im 2. Panel wurde unter dem Titel „Kommunisten ohne Macht?“ über kommunistische Parteien mit geringem Rückhalt in der Bevölkerung und demzufolge wenig Einflussmöglichkeiten gesprochen und wie mit diesen Parteien innerhalb der westlichen Demokratien umgegangen wurde.
Den Anfang machte Maximilian Graf (Wien) mit seinem Vortrag über die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ). Nach 1945 schien die KPÖ innerhalb einer provisorischen Regierung mit SPÖ und ÖVP eine Möglichkeit zur Mitgestaltung der neuen österreichischen Demokratie zu haben. Doch wurde sie bereits in diesen Anfängen von den Protagonist*innen der anderen beiden Parteien ausgegrenzt, isoliert und marginalisiert. Der vorherrschende Antikommunismus wurde durch die Ereignisse des Kalten Krieges noch verstärkt. Nach dem Austritt aus der Regierung 1947 war die KPÖ Oppositionspartei und geriet im Laufe der Zeit und durch sehr schlechte Wahlergebnisse immer mehr in eine Randposition. Auch innerhalb der Partei gab es große Kontroversen über eine Ausrichtung und eine Abkehr vom Stalinismus. Am Ende konnte sich jedoch eher der dogmatische Flügel durchsetzen.
Ähnlich marginalisiert wie die KPÖ war die KPD in der BRD, worauf Till Kössler in seinem Vortrag „Kommunismus und Demokratie in der Bundesrepublik“ einging. Der Kommunismus konnte in der Bundesrepublik kein politisches Milieu formen. Auch gab es innerhalb der Partei starke Uneinigkeit und Spaltung, was die Partei bereits vor ihrem Verbot nahezu handlungsunfähig machte. Der Zerfall förderte erst den Aufstieg der SPD, aber öffnete auch einen freien Raum links von der SPD, den ab den 60er Jahren die neuen linken Bewegungen zu füllen versuchten. Die Geschichte der KPD nach 1945 sei, so Kössler, letztendlich eine Geschichte des Scheiterns gewesen, geprägt durch die starke Anbindung und Abhängigkeit von der SED in der DDR und den massiven Antikommunismus der BRD in den 50er Jahren, der sie in eine Außenseiter- und Randposition drängte.
Das vierte Panel beschäftigte sich mit Kommunist*innen in demokratischen Institutionen. Einzelne (Ex-)Kommunist*innen kamen nach 1945 zu Ämtern in „demokratischen Institutionen“. Es wurde diskutiert, welchen Einfluss sie nehmen konnten und an welche Grenzen sie stießen.
Philipp Kufferath (Bonn) sprach über „Politische Impulse und Lernerfahrungen ehemaliger Kommunisten innerhalb der Deutschen Sozialdemokratie nach 1945“. Er ging dabei exemplarisch auf die Lebenswege von Siegmund Neumann, Eduard Wald und Otto Wollenberger ein. Alle drei waren bereits vor 1933 auf Grund ihrer kritischen Haltung von hohen Ämtern in der KPD ausgeschlossen wurden, blieben aber trotzdem in der Partei. Nach der Nazi-Zeit, in der sie Haft und Repressionen erlebten, brachen sie mit der KPD und wendeten sich der SPD zu. Sie verrichteten ihre politische Arbeit in Gewerkschaften und spielten tragende Rollen in den Landesämtern für Verfassungsschutz, die damals noch SPD-nah waren. Ihre Erfahrungen innerhalb der KPD und ihre kritische Abgrenzung von dieser machte sie sehr attraktiv für die Arbeit in demokratischen Institutionen.
Fiammetta Balestracci (Turin) hielt einen Vortrag über die Arbeit kommunistischer Frauen im italienischen Parlament während der 70er Jahre. Innerhalb des Betrachtungszeitraums Fiammetta Balestraccis saßen 73 Frauen im Parlament. Hauptsächlich waren die kommunistischen Frauen, wie auch schon von Theresa Malice erwähnt, mit sogenannte „Frauenthemen“ wie z.B. dem Wohlfahrtssektor beschäftigt. Im Parlament gab es eine klare Teilung zwischen Männer- und Frauenbereichen innerhalb der KPI. Ende der 70er Jahre gab es einen Generationswechsel und einen konzeptionellen Wandel, der versuchte die patriarchalen Strukturen innerhalb der PCI zu durchbrechen. Kommunistinnen versuchten sich nun in verschiedensten Themenbereiche aktiv miteinzubringen und diese mitzubestimmen.
Harm Kaal (Nijmegen) sprach in seinem Vortrag über die Kommunistische Partei der Niederlande (CPN), die als kleine Oppositionspartei seit 1918 fast stetig im Parlament vertreten war. Auch in den Niederlanden herrschte ein energischer Antikommunismus. Dieser war ein zentraler Einigungsfaktor für die sonst sehr zerspaltenen anderen Parteien. Als zentrales Motiv wurde der Schutz der Demokratie vor kommunistischen Einflüssen benannt. Auch in der CPN wurde der Begriff Demokratie als politisches Mittel verwendet: Ideologisch im Sinne einer Alternative zur schwachen bürgerlichen Parlamentsdemokratie, praktisch als Lebensweise sowie rhetorisch als Positionierung gegen den Faschismus. In den 60er Jahren verschoben sich die Ziele der CPN von der Förderung einer "Volksdemokratie" als Alternative hin zur Förderung der Demokratisierung der bestehenden parlamentarischen Demokratie.
In dem Panel „Kommunismus über die Grenzen“ standen die internationalen Kontakte von kommunistischen Parteien und ihre Vernetzungen im Fokus.
Franck Schmidt (Heidelberg) startete mit einem Vortrag über die französische Freundschaftsgesellschaft Frankreich-DDR. Er beschrieb, wie es Kommunist*innen in Frankreich gelang, unter demokratischen Aspekten eine Meinungsbewegung zugunsten der DDR aufzubauen. Die starke Kommunistische Partei Frankreichs (PCF) gestaltete das Konzept der Freundschaftsvereine mit dem Ziel der Unterstützung der sozialistischen Staaten. Der Verein „Association des Échanges franco-allemands (EFA)“ organisierte ab den 60er Jahren Reisen in die DDR sowie Sprachaufenthalte, deutsche Sprachkurse usw. Durch diese Aktionen sollte die Legitimität der DDR als Staat aufgezeigt werden. Nach der Anerkennung der DDR durch den französischen Staat und den Zusammenbruch der Linksunion Ende der 70er Jahre verlor der Verein an Einfluss.
Grazia Prontera (Salzburg) und Karolina Novinšćak Kölker (Regensburg) beschrieben in ihrem Vortrag, welchen Einfluss die Kommunistischen Parteien Italiens (PCI) und Jugoslawiens (KPJ) auf "Gastarbeiter*innen" in München in den 70er und 80er Jahren ausübten und welche Möglichkeiten die "Gastarbeiter*innen zur politischen Teilhabe hatten. Die Arbeitsmigrant*innen aus Italien und Jugoslawien hatte aufgrund der unterschiedlichen politischen Systeme ihrer Herkunftsstaaten sehr ungleiche Möglichkeiten der politischen Partizipation. Die Präsenz der jugoslawischen Regierungsvertreter*innen in München führte zu Repressionen gegenüber den Arbeitsmigrant*innen, die sich politisch engagieren wollten. Trotzdem bildeten sich zahlreiche jugoslawische Exil-Organisationen. Auch italienische Arbeitsmigrant*innen bildeten politische Vereine in Form von kulturellen Zentren. Die kommunistische Partei Italiens unterstützte diesen politischen Aktivismus und war treibende Kraft zur Bildung eines gemeinschaftlichen Bündnisses der Vereine. Einerseits wollte sie die politische Selbstbestimmung der Arbeitsmigrant*innen fördern, andererseits ihren politischen Einfluss auf diese Gruppen verstärken.
Das letzte Panel am Donnerstag beschäftigte sich mit Kommunist*innen in der Transition, also wie kommunistische Parteien mit dem Übergang von Diktatur zur Demokratie umgingen.
Den Anfang machte Raquel Varela (Lissabon) mit ihren Erläuterungen zu der kommunistischen Partei Portugals (PCP) und ihrem Beitrag zur sozialen Revolution nach der Diktatur in den 70er Jahren. Die PCP, deren Mitglieder im Widerstand gegen die Diktatur kämpften und viele Repressionen erlebten, versuchten sich aktiv an dem Aufbau demokratischer Strukturen zu beteiligen. Auch beschrieb Raquel Varela in ihrem Vortrag, dass es niemals mehr für die portugiesische Bevölkerung so eine starke Entscheidungsgewalt gab wie während der Revolution. So kam es zur Verstaatlichung von Banken und großen Unternehmen, der Geburt des Wohlfahrtsstaates sowie der Agrarreform großer Anwesen. Diese Maßnahmen wurden durch Volksversammlungen erreicht.
Pablo Gil Valero (Paris) sprach in seinem Vortrag über den Eurokommunismus der kommunistischen Partei Spaniens (PCE) während dem Übergang Spaniens von einer Diktatur zu einer Demokratie. Während ihres Exilparteitages in Rom 1976 beschloss die PCE eine Abkehr vom Stalinismus und eine Fokussierung auf die Demokratisierung Spaniens. Auch wollte die PCE als demokratische Partei anerkannt werden. Der Kommunist Solé Tura wurde in Spanien zu einem zentralen Gesicht für diese neue Ausrichtung. Das Konzept des Eurokommunismus der PCE war eng mit der Nationalitätenbestimmung einzelner Teilgebiete Spaniens verknüpft, die eine Unabhängigkeit anstrebten. Für die PCE war es wichtig, die Nationalitäten anzuerkennen und ihre Souveränität zu erlauben.
Den Tag schloss Thorsten Holzhauser (Stuttgart) mit seinem Vortrag über die kommunistischen Parteien Westeuropas nach 89 ab. Nach dem Zusammenbruch des Sowjetblocks Ende der 80er Jahre gerieten viele westeuropäische kommunistische Parteien in eine Krise. Manche Parteien verabschiedeten sich völlig vom Kommunismus und strebten eine sozialdemokratische Ausrichtung an. Demokratisch-sozialistische Politik sollte nun bereits unter kapitalistischen Verhältnissen umgesetzt werden. Ihre Hauptaufgabe sahen viele Postkommunist*innen darin, den Bedürfnisse benachteiligter Personen im demokratisch-kapitalistischen System eine Stimme zu geben. Nach Holzhauser konnten sich die kommunistischen Parteien durch Reformen immer mehr als Teile der demokratischen Gesellschaft etablieren. Kamen die Parteien in Regierungsverantwortung, setzten sie teilweise neoliberale Gesetzesentwürfe selbst mit um.
Der letzte Tagungstag startete am Freitag mit einem Panel über „Kommunistische Gegenerinnerung“, wo es um die Partizipation von Kommunist*innen an einer demokratischen Erinnerungskultur nach 1945 ging.
Benet Lehmann (Gießen) und Yves Müller (Halle) beschäftigten sich in ihrem Vortrag mit dem Beitrag von jüdischen Kommunist*innen zur Erinnerungskultur der Bundesrepublik am Beispiel von Emil Carlebach und Esther Bejarano. Esther Bejarano engagierte sich intensiv in der VVN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes). Die VVN wirkte als Organisation der KZ- und Zuchthausüberlebenden. Carlebach und Bejarano traten immer wieder als Antifaschist*innen und Kommunist*innen öffentlich in Erscheinung und beteiligten sich u.a. aktiv an der Antikriegsbewegung in der BRD. Sie traten gleichzeitig als Zeitzeug*innen und Aktivist*innen auf. Teil einer Erinnerungskultur zu sein und die politisch vereinnahmende Wirkung der Erinnerungskultur prägten ihre Geschichte und ihre Biographie.
Corinna Bittner (Köln) sprach in ihrem Vortrag über die Gedenkstättenbewegung im Emsland. Sie beschrieb die Entstehung der Emslandlager als Geschichte einer Zusammenarbeit von „alten“ und „neuen“ Linken, die gemeinsam an einer antifaschistischen Traditionsbildung arbeiteten. Dabei agierten die „alten“ Kommunist*innen gleichzeitig als Aktivist*innen und Zeitzeug*innen. Sie wollten nicht nur über ihr Erlebtes berichten, sondern auch die Erfahrungen ihres antifaschistischen Kampfes auf die Gegenwart übertragen. Im eher konservativ geprägten Emsland stieß dies jedoch auf starke Ablehnung. Die Erinnerung an die Lager konnte jedoch durch ein gegründetes Aktionskomitee verortet werden. „Alte“ Kommunist*innen fanden in der frühen Bundesrepublik in jungen linken Aktivist*innen eine neue Perspektive, die den Kommunismus als notwendigen Bestandteil einer Demokratie ansahen.
Das nächsten Panel hatte den Schwerpunkt Kommunismus und Neue Linke Bewegungen.
Im ersten Vortrag des Panels sprach Lea Fink (Berlin) über „das Verhältnis der Kritischen Theorie zur Demokratie und zum "realexistierenden" Sozialismus“. Die Vorstellungen von Kommunismus waren innerhalb der Kritischen Theorie einer Wandlung ausgesetzt. Das lag vor allem an einem zunehmend kritischen Blick auf den Sowjetblock und der Sichtweise, dass es sich hier nicht um einen "wahren Kommunismus" handelte. Kommunismus wurde deshalb bald als eine unerreichbare Utopie angesehen und als ein moralisches Versprechen auf eine bessere Welt sakralisiert. Dieses Umdenken führte zu einer Positivbesetzung des Begriffs Demokratie. Gleichzeitig wurden jedoch auch die Staatsformen Westeuropas nicht als wahrhafte Demokratien angesehen, sondern als kapitalistische unfreie Systeme, die nicht viel besser als die sozialistischen Länder seien.
Johanna Wolf (Frankfurt am Main) beschäftigte sich in ihrem Vortrag mit dem "Einfluss von Kommunist*innen im Betrieb in den 70er Jahren" am Beispiel der Bremer Vulkan Werft. Im Juni 1973 bestreikten Arbeiter die Schiffswerft Bremer Vulkan für 8 Tage in einem illegalen Streik, der die demokratischen Regeln der Tarifautonomie unterlief. Die K-Gruppen der 70er Jahre erkannten das revolutionäre Potential von „wilden Streiks“ und stießen mit ihren Ideen auf das Interesse der Arbeiter, welche die offiziellen Gewerkschaften als zu staatsnah empfanden und sich durch diese nicht vertreten fühlten. Auf der Bremer Vulkan Werft kam es jedoch letztendlich auf Vermittlung der Bezirksleitung zu einer Einigung zwischen Betriebsrat und Leitung auf 40 DM mehr Lohn, was deutlich unter den geforderten 70 DM lag. Der Vortrag verdeutlichte den Kampf zwischen offiziellen Gewerkschaften und kommunistischen Gruppen der neuen linken Bewegungen um die Arbeiter*innenschaft in den 70er Jahren.
Das letzte Panel der Tagung beschäftigte sich mit Kommunist*innen als Deutende.
In Mario Keßlers (Potsdam) Vortrag ging es um Kommunist*innen als Demokratieforscher*innen in der BRD. Mario Keßler stellte in seinem Vortrag Wolfgang Abendroth, Wolfgang Leonhard und Hermann Weber als exemplarische Vertreter vor. Alle drei hatten sich vom Staatssozialismus abgewandt, verstanden sich allerdings weiterhin als kommunistisch bzw. links. Wolfgang Abendroth floh 1948 aus der DDR in den Westen und wurde ein renommierter Forscher der Arbeiter*innenbewegung. Sein Anliegen war es, Demokratie und Sozialismus zu einer Synthese zu bringen. Wolfgang Leonhard baute das Archiv für Kommunismusforschung auf und machte sich in der BRD als Kommunismusforscher einen Namen. Hermann Weber prägte sowohl in der DDR als auch in der BRD die Kommunismusforschung. Nach seiner Niederlassung in der BRD beteiligte er sich maßgeblich am Handbuch des deutschen Kommunismus.
Die Tagung wurde durch den Vortrag von Jörg Arnold über den britischen Bergarbeiterstreik 1984/85 und dessen historische Rezeption abgeschlossen. Laut Jörg Arnold prägten vor allem kommunistische Intellektuelle die populäre Erinnerung an den Streik. Im Fokus der Erinnerung stand dabei die Formierung eines breiten Bündnisses von Vertreter*innen der Neuen Sozialen zur Unterstützung der Mienenarbeiter. Die Rolle der Kommunistischen Partei Großbritanniens (CPGB) in diesem Streik spielt eher eine untergeordnete Rolle. Trotzdem nahmen einige Parteifunktionäre in den Gewerkschaften im Hintergrund maßgeblichen Einfluss auf den Bergarbeiterstreik und förderten die neue Form der Allianz zwischen Gewerkschaften und den neuen Sozialen. Der Bergarbeiterstreik und die politische Bewegung dahinter zwangen die britische Regierung zu einer Auseinandersetzung und zu einem Umdenken.
Am Ende der Tagung wurde zusammenfassend gesagt, dass viele verschieden Aspekte über die Rolle und Funktionen der kommunistischen Bewegung in den liberalen Demokratien Westeuropas in den Vorträgen vorgestellt und angesprochen wurde. Diese Inhalte gelte es jetzt zu vertiefen und weiter zu beforschen.